Interessengruppe für den Erhalt des
dörflichen Charakters in Wilstedt
Denkmalschutz
Dörfer und ländliche Siedlungen haben jahrhundertelang die jeweilige Landschaft geprägt und unverwechselbar gemacht. Heute sehen Neubauten nahezu überall gleich aus, egal, in welche Landschaft sie von dem Bauherren gestellt werden. Fertighäuser von der Stange, uniformierte Bauten von IKEA, Dach- und Hausformen, die 'modernem' Geschmack folgen und energiesparsam sein sollen, Geschmacksverirrungen mit kunterbunten Pfannen und mediterranen Hausstilen in der norddeutschen Tiefebene wie im Bergland.
Alles scheint vergessen, was der Mensch jahrhundertelang an Wissen und Erfahrung gesammelt und in den regionalen Bauten und Häusern für die breite Bevölkerung manifestiert hat.
Das alte Dorf
Geld hatten sie auch nicht mehr als wir.
Alte Dörfer zeigen, wie man aus Wenigem das Beste macht. Wir beschwören das Wort »Lebensqualität«, sie sprachen vielleicht von Heimat. Sie verlangten viel von ihrem Dorf. Denn sie überschritten nur selten den Horizont, die Wiege stand nah beim Grab, und das kleine Dorf musste allen Erwartungen von dieser Welt genügen, für alle Werktage und Sonntage eines Lebens.
Schon wie die Dörfer in der Landschaft liegen! Sie wussten, dass man vieles spart, wenn man die Häuser an die rechte Stelle setzt. Wo keine Abendnebel waren und kein Wind. Wer sich duckt, hat es wärmer. Alte Dörfer nutzen jede Falte im Gelände, jede Minute Wintersonne in den Gebirgstälern. Wir wollen Energie sparen, aber schon unsere Häuser stehen falsch.
Und alte Dörfer verzetteln sich nicht. Sie halten zusammen, wie eine Herde sich beim Wetter drängt, die Köpfe nach innen. Von draußen sieht man nur Obstbaumwiesen, Holunderbüsche, Wetterbäume, lange Dächer. Und die geschlossenen Seiten von Schuppen und Scheunen, mit Brettern verschlagen. Sie brechen den Wind. Fenster zeigt das alte Dorf nach innen, wo die Menschen sind. Nicht Aussicht in die Ferne, Nähe wird gesucht, Nachbarschaft. Zur Mitte müssen alle, dort stehen Kirche und Wirtshaus. Den Kirchturm sieht man schon von weitem. Er ist das Signal, die einzige Vertikale des Dorfes und prägt die Silhouette. Keine enge Welt. Nur eine Welt mit Augenmaß, überschaubar, einprägsam, mit menschlichem Maßstab.
Alte Bauernhäuser sind die Summe jahrhundertelanger Erfahrungen. Sie unterscheiden sich von Landschaft zu Landschaft, wie sich das Klima unterscheidet. Und das Baumaterial. Denn Bauen war schon immer teuer, und Transporte waren früher mühsam und kostspielig. So nahm man das Baumaterial aus der nächsten Umgebung. Bruchstein oder Kiesel aus dem Bach, Ziegel, wenn es Ton gab, Holz, Mörtel, Balken und Bretter, Stroh oder Schindeln oder Bruchsteinplatten für das Dach. Dazu ein wenig Fensterglas und geschmiedetes Eisen für die Beschläge.
Fünf oder sechs Baumaterialien finden sich an alten Häusern, und den rechten Umgang mit diesen Materialien, ihr Verhalten, ihre Qualitäten, die Möglichkeiten, sie miteinander zu kombinieren, kannte man durch Generationen hindurch.
Man baute immer wieder neue Häuser, aber man baute sie nicht anders, sondern besser. So hielten die Gebäude durch Jahrzehnte und Jahrhunderte den Angriffen des Wetters stand. Wenn sie nicht in schlampige Hände gerieten, sind ernsthafte Bauschäden bis heute ausgeblieben, es gibt nur Abnützungserscheinungen. Und was sich verbraucht hatte, konnte der Bauer meist selbst ersetzen.
So bildeten sich traditionelle Bauformen, die das Gesicht einer Landschaft bis heute prägen und die den Häusern im Dorf etwas Gemeinsames, Brüderliches geben, etwas Typisches und Unverwechselbares. 27 verschiedene Haus- und Hofformen zählen wir allein in Deutschland. Siebenundzwanzig unterschiedliche Hauslandschaften von der Küste zu den Bergen.
Gemeinsam ist den Häusern im alten Dorf die Neigung der Dächer. Selbst Schuppen, Scheunen, Bienenhäuser und Backöfen übernehmen in allen Details das Dach des Wohnhauses. Gemeinsam sind das Material der Dacheindeckung, die Materialien der Baukörper, ihre Oberfläche, Putz, Holz oder Stein, das Maß von Tür- und Fensteröffnungen, die in Form und Größe vom Baumaterial abhängig waren. Und doch gab es bei dieser Beschränkung tausend Freiheiten für die Phantasie. Die Häuser ähneln sich, und doch hat jedes durch wenige, schlichte Verzierungen ein eigenes Gesicht.
Der Bewohner des Dorfes kennt in der Regel jedes dieser Hausgesichter. Er weiß, welches Haus zu wem gehört und kann den Weg dorthin beschreiben. In der Neubausiedlung am Ortsrand hat meist auch der Briefträger Schwierigkeiten, die Häuser der Reihe nach aufzuzählen. Das zeitgemäße Problem: Identitätskrise.
Um die wichtigen Vermittlungsfunktionen zu fördern, die alte Häuser und Dorfstrukturen heute noch haben, sollen die Eigentümer historischer Bausubstanz bei der Erhaltung und Umnutzung alter Gebäude fachkundig beraten und unterstützt werden.
Nach unserer Auffassung kommt dieser Aufgabe in den nächsten Jahren eine wachsende Bedeutung zu, denn immer mehr alte und zugleich große Gebäude werden aufgrund der demografischen Entwicklung leer stehen und es sollten Konzepte und Alternativen für eine sinnvolle Nutzung entwickelt werden.
Abriss alter Bausubstanz darf nur in Ausnahmefällen die Alternative sein. Die Erschließung von Neubaugebieten wird weniger wichtig.
Wir sind dafür, dass die Gemeinde Wilstedt mit einem Bebauungsplan für den alten Dorfkern die Entwicklung des Dorfbildes und die historische Bausubstanz besser sichert.
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